Muttertagssprüche

Da ich froh war, hatt‘

Da ich froh war, hatt‘ ich sie beinah vergessen, –
Da ich krank lag, ist sie mir am Bett gesessen;

Hat mich sorglich angeschaut und unverwichen,
Hat das Haar mir von der kranken Stirn gestrichen.

Hat die Decken schützend um den Leib geschlagen,
Hat geduldet all mein ungeduldig Klagen,

Hat geplaudert, meine Schmerzen zu zerstreuen,
Hat liebkosend mir versüßt die Arzeneien,

Hat gefraget, was mich quäle, was mir fehle,
Hat getröstet mit dem Tone ihrer Seele,

Mit dem Tone, draus der Liebe Lieder drangen,
Draus des Herzens tiefverborg’ne Quellen sangen,

Mit dem Tone, der sonst nirgends auf der Erde,
Mit dem Tone, den ich nie mehr hören werde:

Mutterliebe, – schluchz‘ ich von dem Ton erfüllet, –
Ist ein Engel, der die Flügel trägt verhüllet.

Rudolf Kögel