Liebessprüche

Einmal, am Rande des Hains

Alles ist eins

(Einmal, am Rande des Hains)

 

Einmal, am Rande des Hains,

stehn wir einsam beisammen

und sind festlich, wie Flammen –

fühlen: Alles ist Eins.

 

Halten uns fest umfaßt;

werden im lauschenden Lande

durch die weichen Gewande

wachsen wie Ast an Ast.

 

Wiegt ein erwachender Hauch

die Dolden des Oleanders:

sieh, wir sind nicht mehr anders,

und wir wiegen uns auch.

 

Meine Seele spürt,

daß wir am Tore tasten.

Und sie fragt dich im Rasten:

Hast Du mich hergeführt?

 

Und du lächelst darauf

so herrlich und heiter

und: bald wandern wir weiter:

Tore gehn auf.

 

Und wir sind nicht mehr zag,

unser Weg wird kein Weh sein,

wird eine lange Allee sein

aus dem vergangenen Tag.

Rainer Maria Rilke